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    Lebensgeschichten der hugenottischen Familie Saunier – 1679 bis 1945 historisch und genealogisch – unter Einbezug von Fragmenten der Originaltagebücher Léon Saunier´s (1841-1858)

    Diesen Artikel eigne ich in großer Dankbarkeit meiner lieben Mutter, Sigrid Zessin, zu Ehren ihres 80. Lebensjahres zu – nach 57 Jahren des gemeinsamen Lebens.

    Einleitung und geschichtlicher Hintergrund
    Da die Geschichte so reichhaltig an interessanten und bedeutenden Ereignissen ist, beschränkte sich der Verfasser hier im Weiteren insbesondere auf die Stadt Berlin, als einen beispielhaften, möglichst kurzen geschichtlichen Ausschnitt zur Einführung. Dieser soll dem Leser als Hintergrund dienen, um bei den jeweiligen Familienmitgliedern der Saunier- Familie zumindest eine kleine historische Zuordnung neben den genealogisch-biographischen Fakten zu haben.

    Hohenzollern der Linie Brandenburg-Preußen

    • Friedrich Wilhelm (1620-1688, Kurfürst 1640-1688)
    • Friedrich I. (1657-1713, Kurfürst, König 1688-1713)
    • Friedrich Wilhelm I. (1688-1740, König 1713-1740)
    • Friedrich II. (1712-1786, König 1740-1786)
    • Friedrich Wilhelm II. (1744-1797, König 1786-1797)
    • Friedrich Wilhelm III. (1770-1840, König 1797-1840)
    • Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861, König 1840-1861)
    • Wilhelm I. (1797-1888, König, Kaiser 1861-1888)
    • Wilhelm II. (1859-1941, König, Kaiser 1888-1918)03 Unter König Friedrich I., dem ersten preußischen König, wurde Berlin 1701 zur Königlichen Residenzstadt.

    Hugenotten Einwanderung unter Kurfürst Friedrich Wilhelm (Brandenburg)
    „1661 begannen starke Verfolgungen, die unter Ludwig XIV. durch das Edikt von Fontainebleau ab 1685 einen Höhepunkt erreichten und eine Fluchtwelle von etwa einer Viertelmillion Hugenotten in die protestantischen Gebiete Europas und Übersee auslösten“ 1). Der Große Kurfürst erlies 1685 das Edikt von Potsdam (Toleranzedikt genannt). Der Kurfürst Friedrich I. erhoffte sich von den Einwanderern einen wirtschaftlichen Aufschwung im an den Folgen des Dreißigjährigen Krieges leidenden Brandenburg. Städte und Dörfer lagen in Trümmern, die Wirtschaft war zerrüttet und die Bevölkerung dramatisch reduziert. Ziel war auch die Ansiedlung möglichst vieler wirtschaftlich leistungsfähiger Neubürger. Dabei war die Aufnahme der Hugenotten nur ein Beispiel für die Aufnahme von aus Glaubensgründen Verfolgten in Brandenburg-Preußen. In Sammellagern, z.B. in Frankfurt am Main und Hamburg, fanden die Refugiés Aufnahme und wurden von dort in die vorgesehenen Ansiedlungsorte weitergeleitet. Sie erhielten vom Kurfürsten Privilegien und erhielten Starthilfen. Glaubensfreiheit und die Ausübung ihres Kultus in französischer Sprache durch eigene Geistliche waren garantiert, dazu ein in weiten Teilen unabhängiges Rechtssystem, zeitweilige Steuerbefreiung, kostenlose Mitgliedschaft in den Zünften, die Verleihung des Bürgerrechts und anderes. Höhepunkt der Einwanderung der französischen Glaubensflüchtlinge waren die Jahre 1685 bis ungefähr 1710.
    In Brandenburg-Preußen siedelten sich die Immigranten vorwiegend in Orten in einem Umkreis von etwa 150 km um Berlin an, die größte französische Kolonie entstand in der Hauptstadt mit ca. 5.000 Geflüchteten selbst. Dort gehörte im Jahre 1700 von insgesamt 28.500 Einwohnern etwa jeder fünfte zu den geflüchteten Franzosen, die hauptsächlich in den neu entstandenen „Städten“ Dorotheenstadt und Friedrichstadt sesshaft wurden. Seit 1672 existierte in Berlin eine von den ersten, vereinzelten Religionsflüchtlingen gegründete französisch-reformierte Gemeinde. Die Kirchengemeinde war die natürliche Anlaufstelle für die zahlreichen neuen Refugiés. Dir französische Sprache galt den gesellschaftlichen Eliten in Berlin und Europa um 1700 als Ausdruck zivilisierter Lebensart. Die Hugenotten in Berlin stammten aus sehr unterschiedlich geprägten Regionen Frankreichs. Enge Kontakte zu den deutschen Nachbarn waren selten, Heiraten zwischen Deutschen und Franzosen so gut wie ausgeschlossen. Vor allem die französisch- reformierte Gemeinde bot einen gemeinsamen Halt. Die erste Kirche der französisch-reformierten Gemeinde in Berlin entstand in der Friedrichstadt, am heutigen Gendarmenmarkt. Der Kirchenbau wurde fast ausschließlich durch Geldsammlungen in der französischen Kolonie finanziert, Gemeindemitglieder übernahmen auch alle Bauarbeiten. Am 1. März 1705 wurde die Französische Friedrichstadtkirche eingeweiht. Weitere Kirchen waren die Dorotheenstädtische Kirche – seit 1697 hälftig zur französischen Gemeinde gehörig, Friedrichswerdersche Kirche, Französische Kirche in der Klosterstraße und die Louisenstädtische Kirche in der Kommandantenstraße. Einige Kirchen wurden später von deutschen und französischen Gemeinden abwechselnd genutzt. Daraus ergab sich in Folge die Gewohnheit, auch Gottesdienste abwechselnd in beiden Sprachen abzuhalten. Mit dem Turmbau der Französische Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt musste der dortige Friedhof geräumt werden. Als Ersatz erhielt 1780 die Gemeinde den neuen Kirch- bzw. Friedhof vor dem Oranienburger Tor.
    Soziale Einrichtungen gab es bereits 1686, da wurde das französische Hospital (Hôspital français) eröffnet, ein Krankenhaus und Altersheim für mittellose Refugiés. Dieses verdankt die französisch-reformierte Gemeinde der Kurfürstin Dorothea. Ebendiese hatte 1684 eine neue Vorstadt, die Neustadt bzw. die spätere Dorotheenstadt begründet. Nötige Neubauten wurden im Jahr 1710 erworbenen Quartier Friedrichstraße 129 errichtet. Darin fand 1780, das seit 1760 bestehende Kinderhospital (Petit Hôspital) Platz.

    Abb. 1: Das französische Hospital (Quelle: Geschichte der französischen Kolonie, 1885, E. Muret).

    Von 1699 bis 1873 existierten an wechselnden Standorten eine Suppenanstalt und Garküche (Marmite) sowie die Armenbäckerei (Boulangerie des pauvres). Die Bäckerei befand sich seit 1781 an einer neuen Adresse in der Mauerstraße. Beide gehörten eng zusammen – der Leiter der Bäckerei war auch für die Zubereitung von Fleisch und Bouillon zuständig –, sie versorgten bedürftige Alte, Kranke und Wöchnerinnen mit der notwendigsten Nahrung. Eine französische Holzgesellschaft (Societé française pour le bois) hatte zur Aufgabe, alljährlich vor Beginn des Winters Brennholz an mittellose Mitglieder der Gemeinde auszugeben. Diese wurde 1776 gegründet. Das französische Waisenhaus (Maison des Orphelins) wurde 1725 in der Charlotten-/Ecke Jägerstraße eröffnet. Bereits 1732-1734 benötigte es ein Neubau. Es bestand als unabhängige Einrichtung bis 1844 und wurde dann mit dem Kinderhospital und der so genannten Schule der Barmherzigkeit (École de Charité) in der Friedrichstraße zusammengelegt. Diese Schule für die Kinder der Armen hatte 1747 ihre Arbeit aufgenommen. 1765 wurde die Mädchenabteilung in die Klosterstraße verlegt und 1769- 1774 das Gebäude für die Knaben in der Jägerstraße umgebaut und vergrößert. Und 1779 wurde auch eine Bildungsanstalt für Lehrer und Kantoren (Pépiniére) in der Ècole de Charité eingerichtet. Geldmangel war ein Dauerproblem beim Unterhalt der sozialen Einrichtungen. Der Bericht eines Predigers an die preußische Regierung schildert die Notlage in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts: „Auf unserer Friedrichstadt ist eine ungemeine Armut … viele Hundert (versetzen) ihre Kleidung nach und nach, leben davon, bis sie nichts mehr zum anzuziehen haben, dass sie weder in die Kirche noch sonst wohin gehen können. Beim Mangel der Betten und Kleider werden sie nun leicht krank … und kommen endlich jämmerlich um.“ Dennoch führten die engagierte soziale Betreuung und die medizinische Versorgung durch qualifizierte Ärzte, Apotheker und Hebammen der Kolonie dazu, dass die Lebenserwartung höher und die Kindersterblichkeit niedriger waren als bei der deutschen Bevölkerung.

    Abb. 2: Maison d`Orange in der Letztenstraße 23 (spätere Dorotheenstr.). Quelle: Geschichte der französischen Kolonie, 1885, E. Muret.

    Auch gab es noch seit 1705 die Stiftung Maison d´Orange (auch damals „Orangehaus“ genannt, nach den Fürstentum Orange in Südfrankreich) in Berlin. Diese Einrichtung unterstützte insbesondere arme und nicht erwerbsfähige Glaubensflüchtlinge. Aufgrund der Baufälligkeit des Hauses 1792, ließ König Friedrich Wilhelm II. auf königliche Kosten ein Haus in der Letzten Straße 23 neu errichten und bereits 1794 wurde es feierlich eingeweiht. In diesem Haus konnten auch Räume zum Nutzen der Stiftung vermietet werden. Jenes Haus bestand noch bis 1883.
    Im Jahre 1700 wurde die Preußische Akademie der Wissenschaften gegründet. Beispielhaft seien nur einige bedeutende Persönlichkeiten hier genannt:
    • Der Theologe, Philosoph und Historiker Jean Henri Samuel Formey (1711–1797) gehörte der Akademie fast 50 Jahre lang an, er war Herausgeber der Nouvelle Bibliotheque Germanistique und Mitarbeiter an der Encyclopédie Diderots, die wohl berühmteste frühe Enzyklopädie Europas.
    • Jean Pierre Frédéric Ancillon (1767– 1837) war seit 1790 Prediger in Berlin, wurde 1803 Akademiemitglied, 1809 Staatsrat und 1810 Erzieher des Kronprinzen, des späteren Königs Friedrich Wilhelm IV.
    • Francois Charles Achard (1753–1821), Physiker und Chemiker, wurde 1782 zum Direktor der Physikalischen Abteilung der Akademie ernannt. Er entwickelte die technischen Grundlagen zur industriellen Herstellung von Rübenzucker.
    • Auch war Daniel Nikolaus Chodowiecki (1726–1801) eine sehr bekannte Persönlichkeit, der als Illustrator und Kupferstecher wirkte und ab 1764 Mitglied der Königlich-Preußischen Akademie der Künste.
    Das französische Gymnasium (Collége Royal française) in Berlin wurde 1689 mit einer Verfügung von Kurfürst Friedrich III. für den höheren Unterricht gegründet. Im 18. Jahrhundert konnte das Collège durch angesehene Leiter wie Jean Henri Samuel Formey (Leiter 1737-1739) oder Jean Pierre Erman (1766-1824) sich sehr positiv weiter entwickeln. Die Schülerzahl nahm beträchtlich zu, von 35 im Jahre 1766 auf 208 im Jahre 1809. Das Gymnasium teilte sich zeitweise mit dem französischen Rathaus von 1701 bis 1873 das Palais Wangenheim in der Niederlagstraße auf dem Friedrichswerder in unmittelbarer Nähe zur Französischen Straße. Das Obergericht, das Konsistorium wie auch das Collége befanden sich alle seit 1705 im Gebäude des sogenannten französischen Rathauses in ebenbesagter Niederlagstraße. 1786/87 erfolgte an gleicher Stelle ein größerer Neubau. Später wurde, unter Leitung des Oberkonsistorialrates Erman, das Gymnasium neu organisiert. Die Lehrer erhielten eine erhöhte Besoldung, so dass der Stundenplan erweitert werden konnte. Bereits 1770 wurde am Collége, aufgrund des Mangels an französischen Geistlichen, auch ein Theologische Seminar gegründet, dieses wurde anfänglich mit drei Zöglingen eröffnet, später war die Zahl auf sechs Kandidaten beschränkt.
    In ihren Sitten und Gebräuchen passten sie sich natürlich allmählich ihrer neuen Umgebung an, hielten aber relativ lange an ihrer Heimatsprache fest. Ebenso an ihrer Religion als Bestandteile ihrer Identität. Ehen wurden anfänglich nur innerhalb der französischen Einwanderer geschlossen, was sich dann in weiteren Generationen ebenfalls änderte und Mischehen entstanden. Mit den Hugenotten waren auch erfahrene Landwirte, Gärtner und Handwerker nach Berlin gekommen. Sie brachten Kenntnisse und moderne Fertigungstechniken mit, die es in Preußen zuvor nicht gegeben hatte. Im Jahre 1747 gab es in Berlin dann bereits über 100.000 Einwohner einschließlich der Angehörigen der Garnison.
    1785 feierte die französische Kolonie mit großem Aufwand den 100. Jahrestag des Edikts von Potsdam. Die Mitglieder der französischen Kolonie wurden allmählich staatstreue preußische Patrioten im Sinne des preußischen Zeitgeistes der Hohenzollern.

    Friedrich II. – Siebenjähriger Krieg
    Während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) wurde die preußische Hauptstadt zweimal kurzzeitig von Feinden Preußens besetzt: 1757 von den Österreichern und 1760 von den Russen und Österreichern. In diesen Kriegen kämpften alle europäischen Großmächte unter anderem um territoriale Gewinne innerhalb Europas. Dieser Siebenjährige Krieg wird auch als Dritte Schlesische Krieg bezeichnet, da bereits vormals, während der Zeit des Österreichischen Erbfolgekrieges, der Erste (1740–1742) und der Zweite Schlesische Krieg (1744-1745) stattfanden. Im Oktober 1757 unternahm Andreas Hadik von Futak an der Spitze leichter ungarischer und kroatischer Truppen (Österreicher), etwa 5.000 Mann, den berühmten Zug nach Berlin, welcher als Berliner Husarenstreich bekannt wurde. Die preußische Hauptstadt hielt er am 16. Oktober (seinem Geburtstag) einen Tag lang besetzt. Er räumte Berlin, nachdem er der Stadt eine Geldzahlung von rund 200.000 Talern Kontribution sowie 25.000 Taler für die Truppe eingefordert hatte, zumal Fürst Moritz von Dessau mit starken Truppen nur knapp zwei Stunden von der Stadt entfernt war. Unter dem Kommando des sächsisch-russischen Generals Gottlob Curt Heinrich von Tottleben rückten am 3. Oktober 1760 erste Kosaken- Einheiten über Cöpenick bis an das Cottbusser Tor und Hallesche Tor heran. Tottleben wiederum erhielt zusätzliche Verstärkung durch das russische Corps des Generalleutnants Sachar Grigorjewitsch Tschernyschow. Die preußische Hauptstadt musste vor russischen und österreichischen Truppen erneut kapitulieren. Berlin und die umliegenden märkischen Städte bis Potsdam wurden besetzt. Im Anschluss begannen Plünderungen, wobei mehr als die Russen die Österreicher und Sachsen plünderten und brandschatzten. Nach vier Tagen zogen die Besatzer vor der heranrückenden preußischen Hauptarmee ab, in Richtung Torgau und Frankfurt an der Oder.

    Zeit von Napoleon Bonaparte (1806-1815)
    Das Selbstverständnis Preußens wurde während der napoleonischen Zeit auf die Probe gestellt. 1806 bis 1808 und noch einmal 1812/13 wurde Berlin von französischen Truppen besetzt. Von 1806-1809 war der preußische König Friedrich Wilhelm III. samt Hof nach Königsberg geflüchtet. Berlin hatte seine Funktion als Sitz der preußischen Krone, Staatsbehörden und des Hofes eingebüßt. Memel und Königsberg rückten in dieser Zeit an die Stelle Berlins. Erst 1809 kehrte das Königpaar nach Berlin zurück. Die wirtschaftlichen Belastungen während der Besatzung der Stadt kann man sich vorstellen. Zwischen 1806 und 1808 waren in Berlin mindestens 12.000 Soldaten stationiert, darunter auch Truppen der mit Napoleon verbündeten Rheinbundstaaten. Die Kasernen Berlins reichten natürlich nicht für die Unterbringung der Soldaten, weshalb sie größtenteils in private Wohnungen einquartiert werden mussten. Als 1809 die neue Städteordnung im Rahmen der Preußischen Reformen (Stein-Hardenbergsche Reformen) in Kraft trat, verloren die Kolonien der Refugiés nach über hundert Jahren ihren privilegierten Sonderstatus. Die anschließenden Befreiungskriege begannen 1813 und wurden 1815 durch Frieden im Wiener Kongress beendet.

    Vormärz (1815–1848) und die Revolution von 1848/1849
    Mit dem Ende der Napoleonischen Kriege begann für Preußen und seine Hauptstadt eine jahrzehntelange Friedensperiode. Die Bevölkerung wuchs rasant und die industrielle Revolution begann. 1816 lebten in Berlin etwa 200.000 Menschen, 1840 bereits 330.000 und 1846 sogar 408.000 Einwohner. Berlin war um 1850 nach London, Paris und Wien zur viertgrößten Stadt Europas herangewachsen. Anfang der 1830er begann sich das Berliner Eisenbahnwesen zu entwickeln. Begleiterscheinungen der industriellen Revolution waren z.B. Wohnungsnot, Armut und auch ein gewaltiger Bauboom. Im Jahre 1817 wurden die französisch-reformierten Kirchengemeinden Teil der neu gegründeten Evangelischen Kirche in den Königlich Preußischen Landen, die lutherische und reformierte Kirchengemeinden zunächst unter einem organisatorischen Dach vereinte. Die Märzrevolution ein wesentliches Ereignis der deutschen Freiheits- und Nationalbewegung. Wesentliches Ziel dieser war die Überwindung der Restaurationspolitik, die die Zeit seit dem Wiener Kongress 1815 geprägt hatte. Massenarmut und politische Unzufriedenheit trieben die Menschen auf die Straße. Am 18. März 1848 kam es zu einer großen Kundgebung, an der sich rund 10.000 Berliner beteiligten. Die königstreuen Truppen waren dagegen aufmarschiert und es begannen nächtliche Barrikadenkämpfe. Bis zur Beendigung dieser Märzrevolution am 21. März waren 192 Personen umgekommen. Auch danach kam es weiterhin zu Unruhen: So wurde am 14. Juni 1848 das Zeughaus gestürmt und geplündert. In anderen Regionen des Deutschen Bundes verlief diese Revolution noch bis Sommer 1849. Wie ging es nun weiter mit den Berlin- Brandenburgischen Hugenotten? Um 1870 wurden in Berlin zwei Vereinigungen, der „Réunion“ und der „Hugenottischen Mittwochsgesellschaft“, gegründet und die Zeitschriften „Die Kolonie“ wurde herausgegeben. All dies sollte das Gemeinschaftsgefühl stärken. 1885 wurde das 200- jährige Jubiläum des Edikts von Potsdam feierlich begangen. Otto von Bismarck soll die Hugenotten später einmal als „die besten Deutschen“ bezeichnet haben. 1890 wurde der Deutscher Hugenotten- Verein gegründet.

    Die Familie Saunier – Genealogisch

    Charles Saunier (abt 1625)
    Charles Saunier, der um 1625 in der Region Seine-Maritime – Haute-Normandie in Frankreich geboren wurde.2 Er heiratete Catherine Eudes am 5. November 1645 in Frankreich. Sie hatten während ihrer Ehe in den 18 Jahren vier Kinder. Catherine wurde 1621 ebenfalls in derselben geografischen Region geboren. Hinweise zu ihrem Tod sind leider unbekannt.

    Pierre Saunier (1647-1687)
    Ein Sohn von ihnen, Pierre Saunier, wurde 1647 in Loisy-en-Brie in Marne in Frankreich geboren, da waren sein Vater Charles 22 und seine Mutter Catherine 26 Jahre alt. Er heiratete Marie Cousin (1653-1731). Pierre Saunier war von Beruf ein Kaufmann. Er verstarb am 17. November 1687 in der Region Seine-Maritime, Haute-Normandie in Frankreich. Seine Frau Marie jedoch verstarb laut Kirchenbuch am 10 Dezember 1731 im preussischen Berlin. Somit war sie wohl die erste hugenottischer, französischer Abstammung dieses Saunier-Familienzweiges in Berlin im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Warum ihr Ehemann in Frankreich verlieb ist unbekannt.

    Jean Saunier (1679-1742)
    Jean Saunier, wurde 1679 als Kind von Marie Cousin und Pierre Saunier in Loisy-en-Brie, einem kleinen Ort etwa 50 km südlich Reims in der Champagne geboren. Die Champagne ist eine historische Provinz und Landschaft im nordöstlichen Frankreich wo auch der Weinanbau zu Hause war. So nimmt es kein Wunder, das er später Weinhändler in Berlin war. Er heiratete Susanne Siegè (1677- 1745) am 21.04.1705 in der Friedrichswerderschen Kirche in Berlin. Seine Frau, stammte ebenfalls aus Loisy-en-Brie (Region Marne) in Frankreich und war zum Zeitpunkt der Hochzeit bereits verwitwet. Beide hatte im Laufe ihrer Ehe vier Kinder. Die älteste Tochter Susanne Marie Saunier (1706- 1776) heiratete am 22.05.1742 in der französisch reformierten Kirche in der Friedrichstadt Jean Henry Philiponat (1708–1784). Dann waren da noch ihre beiden Schwestern Anne Marie Saunier (1707-1709) und Marie Saunier (1707-†?). Erstere starb bereits im Kindesalter sehr früh, als ihre Mutter gerade mal 30 Jahre alt war. Die Letztere, Marie, heiratete ebenfalls in der französisch reformierten Kirche in der Friedrichstadt am 30.09.1728 ihren Gatten Thomas Metivier. Über beide ist sehr wenig bekannt.

    Jean Saunier (1710-1782)
    Der Jüngste im Bunde der Geschwister war Jean Saunier. Er war Chirurg und arbeitete am französischen Hospital und im Maison d´Organge (auch damals „Orangehaus“ genannt, nach den Fürstentum Orange in Südfrankreich) in Berlin. Diese Einrichtung war eine soziale Stiftung seit 1705 für die Glaubensflüchtlinge. Sie unterstützte insbesondere Arme und nicht erwerbsfähige Personen. Zuerst wohnte er „in der Bären-Strasse in des Tischlers Schumanns Hause“ (wobei hier die Behrenstraße gemeint ist). Am 25.03.1738 ehelichte er Susanne LOUISE Brachet (1709–1797) ebenfalls in der Friedrichstädtischen französisch reformierten Kirche in Berlin. Der Ehebund wurde durch den Prediger Monsieur Dumont geschlossen. Im „Adreß-Calender, der Königlich Preußischen Haupt- und Residenzstädte Berlin, und der daselbst befindlichen Hohen und niederen Collegien, Instantien und Expeditionen auf das gemeine Jahr“ findet man für ihn etwas später den Eintrag „Mr. Saunier, wohnt in der Französischen Strasse, in des Brandweinbrenner George Hause“. Für insgesamt 27 Jahre (1749-1776) ist für den französisch- stämmigen Jean Saunier (Chirurg) der Nachweis im Adresskalender Berlin zu finden. Die beiden hatten zusammen zwei Söhne, Jean Saunier (1738–1812) und Henri Saunier (1745–1820). Die Zwei wurden im Laufe ihres Lebens Prediger, jedoch in verschiedenen französischen Gemeinden, Jean in Hamburg und Henri in Berlin.

      Jean Saunier (1738-1812)
      Der ältere, Jean (Johann) Saunier, wurde am 22.12.1738 in Berlin geboren und vier Tage später getauft durch den Prediger Danieres im „Temple de la Frederic Stadt“, wie üblich unter dem Beisein von Taufzeugen bzw. Paten namentlich Jeanné Descostes, seiner Großmutter mütterlicherseits und Jean Saunier, seinem Großvater väterlicherseits. Im Alter von 27 Jahren begann Jean als Prediger 1765 an der französischen Gemeinde in Hamburg. Wobei es auch in Altona zu dieser Zeit noch eine andere kleine Gemeinde, für die französisch reformierten Hugenotten, gab. In der Zeit lernte er auch seine künftige Frau Marie Jacobée Boué (1740–1780) kennen, welche der 32-jährige Jean dann am 04.06.1770 in Berlin ehelichte. Das Paar hatte zwei Kinder, zum einen Jean Jacques Louis Saunier (1772–1849) und zum anderen seine Schwester Henriette Frederique Saunier (1780–1854). Beide Kinder sind in Hamburg geboren, demzufolge sind Jean Saunier und seine Ehefrau Marie Jacobée Boué vor 1772 von Berlin nach Hamburg umgesiedelt. Sehr wahrscheinlich aufgrund einer freien Predigerstelle dort. Marie Jacobée war die Enkelin von Pierre Boué (1677-1745). Diese hugenottische Familie, welche von Clairac nach Bordeaux und La Rochelle kam, war eine doch bedeutende Kaufmannsfamilie. Der Großvater kam um 1700 nach Hamburg, nachdem er seine Kaufmannslehre in Amsterdam und Kopenhagen vollzogen hatte. Er war Mitte des 18. Jahrhundert in Hamburg ein erfolgreicher Reeder, Seehändler und Finanzier. Sein Unternehmen war damalig führend Rohrzuckerimport aus der französischen Karibik. Auch mit Kolonialwaren, wie Kaffee, Baumwolle, Indigo und anderes, handelte sein Unternehmen. Im Export wurden hauptsächlich Leinenstoffe gehandelt. 1723 entstand eine Werft, welche unter den Namen „Französische Schiffbauerei“ bekannt war. Jene galt als die bedeutendste Werft des 18. Jahrhunderts in Hamburg. Von 1719 bis 1732 wurden etwa 23 Schiffe für die „Compagnie de l’Inde“, die Französische Ostindienkompanie gemäß dem Vorbild der Niederländischen, gebaut. Sie war im Asien- und atlantischen Sklavenhandel aktiv. Für den Schiffbau betrieb der Großvater von Marie Jacobée, eine eigene Holzhandlung und eine Reepschlägerei, also eine Seilerei. Das Hamburger Unternehmen wurde von seinem ältesten Sohn Jean Pierre Boué (1707–1793), dem Vater von Marie Jacobée übernommen und weitergeführt. Die Familie in welche Jean Saunier durch seine Einheirat kam, war auch sehr zahlreich an Familienmitgliedern. Somit war er in guter, wie vermögender Gesellschaft als Prediger der dortigen französischen Gemeinde. Er verstarb am 08.10.1812 in Hamburg.

      Henri Saunier (1745-1820)
      Henri (Heinrich) Saunier wurde am 04.09.1745 ebenfalls in Berlin geboren. Seine Taufe ist in den Kirchenbüchern nicht überliefert. Er verblieb sein Leben lang in dieser Stadt. Details zu seinem Lebensverlauf beginnen, als Henri 21 Jahre alt ist. Bereits oben erwähnter „Adreß-Calender“, welcher jährlich neu „mit Approbation der Königl. Preuß. Academie der Wissenschaften“ herausgegeben wurde, finden wir im Zeitverlauf von Henris Leben erstmalig folgendes für die Jahre 1766-1768: „Die neue Königl. Ritter-Academie. Andere Lehrer“ und:
      Hr. Saunier Cand. Theol. französischer Lehrmeister der lateinischen Sprache“. Zu jener Zeit lebte auch noch der Vater Jean, der „Chirurgus“, von Henri. Somit finden sich für das Jahr 1768 für den Nachnamen „Saunier“ erstmalig Einträge für bzw. von zwei verschiedenen Personen, Vater (Chirurg) und Sohn (Prediger) in jener Quelle. Auch wenn hier der Vorname bei einer verzeichneten Person fehlt, handelt es sich um den 21-jährigen Henri Saunier. Er war noch Kandidat der Theologie, also noch in Ausbildung zum Prediger. Als französischstämmiger Mann beherrschte er offensichtlich das Latein so gut, das er damit drei Jahre lang Geld verdienen konnte und andere darin an der neu entstandenen Ritterakademie in Berlin unterrichtete. Diese Akademie diente der Ausbildung von Söhnen aus Fürsten- und anderen Adelshäusern. Wie in Brandenburg an der Havel und anderswo im Heiligen Römischen Reich „war [es] eine Institution, die bereits in der Renaissance entstand und an der junge Männer das Reiten, Körper-, Waffen- und Geistesübungen wie Fechten und Tanz, die sogenannten akademischen Künste, und Mathematik erlernen“. 1765 gründete König Friedrich II. diese „Académie militaire“ in der Stadt, wozu er auch Lehrkräfte aus Frankreich holen ließ. Letzteres wohl auf aufgrund seines Faibles für die Franzosen und die französische Sprache. Dafür ließ er in der Burgstraße „ein ansehnliches Gebäude zur Wohnung der jungen Edelleute, und ihrer Gouverneure bauen“ welches 1769 fertiggestellt wurde. „Vorher hatte der König die beiden obern Geschosse des Königl. Stalls in der breiten Strasse für sie zurecht machen lassen“. Somit lag also Heinrich Sauniers Arbeitsstätte für sein Lehramt für Latein in der Breiten Straße. 1769-70 ist der Lehrmeister der lateinischen Sprache, Saunier, unter der „Königl. Academie Militaire“ als „erster Lehrer der lateinischen Sprache“ verzeichnet. Jedoch ohne den vormaligen Zusatz „Cand. Theol.“.
      Am 06.09.1771 heiratet Henri mit 26 Jahren Susanne Jannette Thoille (1760–1833) in Berlin. Der die Hochzeit durchführende Prediger war laut Eintrag im Kirchenbuch Mr. Formey. Möglicherweise handelt es sich bei jenem Prediger um Jean Henri Samuel Formey (1711-1797), der berühmte Theologe, Philosoph und Historiker und langjährig führendes Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften. Er war auch Mitarbeiter an der berühmten Encyclopédie Diderots. Denn Formey war Prediger der französisch-reformierten Gemeinde und hatte eine Stelle an der französischen Kirche Berlin- Friedrichstadt. Für das Paar sind keine Nachkommen in den Kirchenbüchern belegt.
      Für die Jahre 1771-1775 ist Henri Saunier nicht im Adresskalender aufzufinden. Eine wahrscheinliche und mögliche Erklärung hierfür könnte der redaktionelle Hinweis im Adresskalender 1771 geben: „Ein geehrtes Publicum erhält den Adreß- Calender… zwar zu der gewöhnlichen Zeit; damit aber dessen Herausgabe künftig mehr beschleunigt werden könne, wird ein Jeder nach Standes-Gebühr gehorsamst und dienlichst ersuchet die dazu erforderliche Nachrichten, und allenfällige Erinnerungen wegen Rechtschreibung der Namen, deutlich geschrieben, jährlich auf das späteste im November an dem Herrn Kriegs-Rath Gravius einzuschicken“. Kurzum, wenn man sich nicht selbst sich um seinen Eintrag kümmerte und die nötigen Informationen lieferte, konnte demzufolge auch nichts verzeichnet und gedruckt werden. Man musste sich also selbstständig bei dem Herausgeber und Verleger melden. Auch außerhalb Berlins gab es kleinere Kolonien der eingewanderten französischen Hugenotten Familien. So auch in Französisch-Buchholz und Pankow. Unter den Geistlichen der Gemeinde Buchholz befand sich auch von 1770-1775 Henri Saunier,

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